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Nachlese LPT2011.2 Redebeitrag: Aus Troja lernen, heißt siegen lernen!

Aus Troja lernen, heißt siegen lernen!

Clemens, Rede zum LPT2011.2

Liebe Piraten, liebe Freunde der Piraten, liebe Gäste,

bevor wir jetzt gleich wieder die Ärmel hochkrempeln und weiter an unserem Programm arbeiten, möchte ich Euch eine alte Geschichte neu erzählen eine mehr als dreitausend Jahre alte Geschichte, die bestimmt schon hunderte Male erzählt wurde, aber dennoch nichts an Relevanz verloren hat

Ihr ahnt vermutlich schon, um welche Geschichte es sich handelt ‐‐‐ genau, es ist die vom Falle Trojas:

 

  • zwei verfeindete Parteien (Trojaner und Griechen) hatten einen nicht enden wollenden (10 Jahre langen) Krieg hinter sich,
  • der Aggressor (die Griechen), sah schließlich ein, dass konventionelle Mittel ihn nicht weiterbringen und griff deshalb mit Gottes Hilfe zur Kriegslist,
  • einer Kriegslist in Form eines wertvollen Geschenkes an einen Dritten (die Göttin Athene und Poseidon), das aus dem gleichen Grund auch für das zu überlistende Opfer von eigenem Wert war und 
  • dessen leichtsinnige Annahme durch das Opfer schließlich zu dessen völliger Vernichtung führte. 
Was die Griechen da praktizierten, versuchten natürlich auch zahllose kriegsführende Parteien nach ihnen ‐‐‐ ob nun in echten, blutigen Schlachten oder wie aktuell, in tagespolitischen Auseinandersetzungen, bei denen es darum geht, dass sich in einem Gemeinwesen bestimmte, 
  • nicht die Mehrheit repräsentierende, aber privilegierte Gruppen 
  • gegen den Rest der Gesellschaft durchsetzen wollen. 

 

Beispiel Nr. 1 ist hier der sog. Staatstrojaner:
Wie der insbes. technisch funktioniert, brauche ich Euch nicht mehr zu erklären

‐‐‐ das hat der CCC schon akribisch getan,

aber worauf ich Eure Aufmerksamkeit lenken will, ist die Frage, ob es sich bei der Geschichte des Staatstrojaners überhaupt um die bekannte Geschichte von Troja handelt.

Ich meine nein:

 

  • beim Staatstrojaner gibt es keine zwei sich bekriegenden Völker,
sondern lediglich eine kleine Gruppe von Volksvertretern, die dafür einen Präventivkrieg gegen ihr eigenes Volk führt und
  • anstelle eines an sich wertvollen Geschenkes tritt beim Staatstrojaner ein vom Opfer sicherlich unerwünschter auch physischer, eindeutig verfassungswidriger Einbruch in den innersten Bereich seiner privaten Lebensführung. 
Bei dem, was der Staat hier im Namen der Sicherheit seinen Bürgern antut, handelt es sich also nicht ‐‐‐ wie beim echten Trojaner ‐‐‐ um eine völkerrechtlich akzeptable Kriegslist, sondern schlicht um ein Kriegsverbrechen! 
Und als solches muss es von uns auch behandelt werden: Wenn eine Regierung
  • mit verfassungswidrigen Mitteln versucht, unseren Staat gewaltsam so umzuformen,
  • dass in ihm am Ende nur noch die Sicherheitsbeamten regieren,
  • und dafür einen Grundpfeiler der Demokratie ‐‐‐ nämlich die 
Gewaltenteilung ‐‐‐ in den Dreck tritt, dann müssen wir
  • die Dinge beim Namen nennen,
  • von dem in unserer Verfassung verbrieften Widerstandsrecht Gebrauch 
machen und
  • diesem Treiben mit allen uns zur Verfügung stehenden legalen Mitteln entgegentreten.

 

Die Geschichte des Staatstrojaners ist keine Variante der Geschichte Trojas ‐‐‐ sie ist die Geschichte eines skrupellosen Staatsstreiches!

Ein zweites aktuelles Beispiel, bei dem sich auf Troja berufen wird, ist der sog.

Schultrojaner.

Worum geht es da:
Rechteverwerter (Verlage) und Schulen machen gemeinsam einen Vertrag, der

 

  • es den Schulen ‐‐‐ angesichts eines pervertierten Urheberrechtes ‐‐‐ zu vergleichsweise günstigen Bedingungen gestattet, bestimmte Werke zu nutzen und
  • gleichzeitig die Schulen verpflichtet, Maßnahmen gegen eine missbräuchliche Nutzung der so erworbenen Rechte zu unternehmen. 
Zu diesem Zwecke wird den Schulen von den Verlagen eine SW zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe die Schulen jährlich, ohne jede Geheimniskrämerei die Einhaltung der Nutzungsbedingungen kontrollieren sollen. 
Diese SW bezeichnen auch wir Piraten als Trojaner… Zu Recht?
Auch hier meine ich: nein ‐‐‐ denn:
  • es gibt hier weder miteinander kämpfende Parteien,
  • noch eine Kriegslist in Form eines Danaergeschenks,
  • tatsächlich gibt es in dieser Geschichte gar kein Geschenk, da die Schulen 
ja immer noch gutes Geld für die Nutzung der Werke zahlen müssen… Alles was es gibt, ist ein auch der Öffentlichkeit bekannter Vertrag.
Die Geschichte des Schultrojaners ist ebenfalls
  • nicht die bekannte Geschichte des Trojaners,
  • sondern bestenfalls ein Popanz,

 

von dem ich nicht ausschließen möchte, dass er auch deswegen in die Welt gesetzt wurde, um uns Piraten mal wieder als Raubkopie‐Verteidiger aus der Reserve zu locken.

Der Skandal beim Schultrojaner besteht

 

  • nicht darin, dass SW zur Kontrolle eines Vertrages eingesetzt werden soll,
  • sondern in dem einseitigen und bildungsfeindlichen Urheberrecht, das hier die Verleger mit Hilfe unserer Volksvertreter etabliert haben und nun legal zur Profitmaximierung nutzen können. 
Was den Schultrojaner angeht, verhalten wir Piraten uns aber leider trotzdem ähnlich wie der Pavlovsche Hund: 
wir hören das Glöckchen „digitaler Kopierschutz“ klingeln und fangen sofort das Speicheln (manche sogar das Geifern) an ‐‐‐ trotzdem es in Sachen Schultrojaner vermutlich politisch gar nichts für uns zu fressen geben wird. 
Zwei Beispiele für Trojaner ‐‐‐ jeder für sich genommen wirklich schlimm, aber trotzdem oder gerade deshalb ist keiner von beiden ein Trojaner im historischen Sinne. 
Gibt es denn überhaupt tagesaktuelle politische Vorgänge, die wie die wahre Geschichte Trojas angelegt sind? 
Ich meine wohl: 
u.a. eine Sorte von Trojanern, die ich Wertetrojaner nennen möchte und die m.E. die in der Politik am weitesten verbreitete und übelste Sorte von echten Trojanern darstellt. 
Wertetrojaner sind klassische Trojaner, bei denen
  • das Danaergeschenk in der Abschaffung einer lästigen, individuellen Pflicht besteht ‐ typischerweise im Namen des hohen Gutes der Freiheit ‐ und
  • der dafür zu zahlende Preis die Aufgabe einer oder mehrerer zentraler gesellschaftlicher Werte ist.

 

Ein Wertetrojaner liegt z.B. vor, wenn wir Piraten

 

  • im Namen der individuellen Freiheit des Unternehmers eine 
Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft von Betrieben in 
Handelskammern fordern und
  • dafür u.a. billigend in Kauf nehmen, dass dann wesentliche 
Kammeraufgaben nicht mehr kompetent gewährleistet werden können und fast 2 Milliarden Euro, die bisher von unternehmerischer Seite für Kammeraufgaben aufgebracht wurden, in Zukunft vom Steuerzahler zu begleichen wären. 
Ein Wertetrojaner liegt m.E. auch vor, wenn wir Piraten uns im Namen des hohen Gutes der Transparenz eine digitale Totaldokumentation unserer politischen Arbeit antuen und uns damit
  • nicht nur in unserer praktischen politischen Arbeit völlig lahm legen,
  • sondern sogar genau so verhalten, wie wir es sonst doch den 
Verfechtern des Überwachungsstaates vorwerfen. 
Und ein besonders derber Wertetrojaner liegt nach meiner Auffassung z.B. auch mit der BGE‐Skizze vor, die Ebner und Ponader letzte Woche bei den Piraten in Erfurt präsentiert haben:
  • bei der wird nicht mal klar, worin das Danaergeschenk bestehen soll, d.h. was damit verbessert werden soll oder ob damit überhaupt etwas verbessert werden kann und
  • trotzdem soll dafür mal eben die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer umgelegt, die Mehrwertsteuer erhöht, eine Flat‐Tax von sage und schreibe 45% ‐‐‐ das ist in etwa das jetzige Niveau des Spitzensteuersatzes für Großverdiener ‐‐‐ eingeführt und die staatliche Familienförderung auf breiter Front zurückgefahren werden. 
Beim Wertetrojaner gehören ‐‐‐ wie beim Staatstrojaner ‐‐‐ Aggressor und Opfer der gleichen Gruppe an.

 

Im Unterschied zum Staatstrojaner sind sich beim Wertetrojaner die Aggressoren aber i.allg. nicht bewusst, dass sie auf lange Sicht ihre eigenen Opfer werden.

Der Wertetrojaner verfängt naturgemäß besonders leicht bei Individualisten und Menschen, die der persönlichen Freiheit allerhöchsten Stellenwert beimessen.

Damit sind wir Piraten offensichtlich ganz besonders gefährdet.

Dabei gibt es ein einfaches Rezept, den Wertetrojaner zuverlässig zu erkennen und zu vermeiden ‐‐‐ es ist das gleiche, das der Gesetzgeber idealerweise beim Entwurf neuer Gesetze zum Einsatz bringt:

danach muss das jeweils vorangetriebene Vorhaben „lediglich“

 

  • verständlich sein und klar bestimmt,
  • in einem klar zu umreißenden Sinn notwendig,
  • nicht mit höherrangigen Werten kollidieren,
  • verhältnismäßig sein,
  • praktisch vollzogen werden können und
  • im Hinblick auf das zu erreichende Ziel wirksam, 
denn die Werte, für die wir als Piraten kämpfen sind zu wichtig, als dass wir es riskieren dürften, sie für Scheingeschenke auf dem Altar der individuellen Freiheit zu opfern. 
Liebe Piraten, ich habe Euch drei Geschichten von Troja erzählt:
  • zwei davon waren in Wirklichkeit Märchen:
o das als Kriegslist verharmloste Kriegsverbrechen namens

 

Staatstrojaner, das uns zu sofortigem kompromisslosem Handeln

zwingt und
o der Schultrojaner, der gar keiner ist, aber unnötig unsere Kräfte bindet und darüber hinaus unsere Reputation gefährdet, ‐ und nur eine Geschichte war eine echte Trojaner‐Geschichte:

die vom schlimmsten aller Trojaner ‐‐‐ dem Wertetrojaner der unsere gesellschaftlichen Ideale bedroht.

Jeder dieser drei Trojaner hat seine klaren Erkennungsmerkmale und für jeden gibt es jeweils eigene Mittel um ihn zu eliminieren, sobald er auftritt.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir wachsam sind…

Aus Troja lernen, heißt siegen lernen!

Auch hier und jetzt, wenn wir sogleich unsere programmatische Arbeit fortsetzen!

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit…

Clemens Beckstein, Jena