Kandidatenblog

Gegen Scheinkandidaturen!

Die aktuelle Debatte um sogenannte Scheinkandidaturen zur Kommunalwahl veranschaulicht  eines der Probleme der heutigen Politik. Auf der einen Seite bejammern die Politiker ständig, dass die Menschen kein Vertrauen mehr in die Politik haben auf der anderen Seite bewerben sie sich wissentlich für ein Mandat, welches sie überhaupt nicht antreten wollen. So etwas nennt man Betrug und Menschen die darauf hereinfallen sind nicht nur betrogene, sondern auch enttäuschte, Bürger. 

 

Was genau ist so schlimm an Scheinkandidaturen? Prominente Politiker, zumeist bereits mit einem Mandat ausgestattet, veranlassen die Wähler eher ihnen die Stimme zu geben, weil sie bereits innerhalb der Bevölkerung bekannt sind. Zum Beispiel hat der Oberbürgermeister bei einer Stadtratswahl immer einen Bekanntheitsbonus. Dadurch kumulieren sich viele Wählerstimmen auf die eine Person. So bekam Andreas Bausewein (Erfurter Oberbürgermeister, SPD) über 43000 Stimmen, der nächste SPD Kandidat nur 3780 Stimmen. Durch die Ablehnung des Mandats von Bausewein wurden die Stimmen auf die gesamte SPD aufgeteilt. Dadurch kam der Kandidat Denny Möller mit nur 424 Stimmabgaben noch in den Erfurter Stadtrat, Pirat Markus Walloscheck mit 1090 Stimmen aber zum Beispiel nicht. Ein noch gravierenderes Beispiel für die Verzerrung des Wahlergebnisses durch Scheinkandidaturen kommt aus Jena: Christian Gerlitz (SPD) zog dort mit nur 231 Stimmen in den Stadtrat ein, während Frank Cebulla (PIRATEN) mit 1020 Stimmen kein Stadtratsmandat erringen konnte. Auch dort ist der Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) auf die Liste angetreten, wohl wissend, dass er das Mandat nicht annehmen würde.

 

Was wäre denn die Quintessenz wenn es solche Scheinkandidaturen nicht mehr gäbe, beispielsweise weil gesetztlich verboten wären? Zum einen müssten die Parteien viel mehr für ihre Themen werben, ein einfaches Abdrucken des bekanntesten Parteimitgliedes würde nicht mehr ausreichen. Und auch in der Bevölkerung gäbe es ein Umdenken, mehr Bürger würden sich im Vorfeld mit der Kommunalpolitik und den Zielen der Parteien auseinandersetzen. Plötzlich wären nicht mehr die Köpfe im Vordergrund, sondern Inhalte. 
Ob sich die Willensbekundungen der Parteien zur Änderung der Möglichkeit von Scheinkandidaturen demnächst in konkreten Gesetzesänderungen wiederfinden lassen? Viel Vertrauen gibt es nicht mehr.