Artikel Piratengedanken

Piratengedanken: Weniger Mimimi wagen

Die Aktion „Piratengedanken“ ermöglicht es jedem Pirat seine Gedanken zu einem Thema seiner Wahl zu veröffentlichen. Diese Ausführungen sind keine Aussagen der Piratenpartei oder der PIRATEN Thüringen. Es handelt sich lediglich um Einzelmeinungen von Mitgliedern.
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Weniger Mimimi wagen

Es rappelt mal wieder in der Bude. Auch wenn ich mir vorgenommen habe, Twitter als ein Kommunikationsmedium des alltäglichen Piraten-mimimi zu akzeptieren, möchte ich trotzdem ausführlicher und außerhalb der 140 Twitter-Zeichen zum Interview von Christopher Lauer [1] alias @Schmidtlepp Stellung nehmen.
 
Es ist wieder einmal faszinierend, wie sehr auf die mediale Aufbereitung eines Interviews eher eingegangen wird als auf den Inhalt des selbigen. Natürlich sticht einem gleich die Überschrift ins Auge: „Weniger Demokratie wagen“. Empört wird die Piratenbasis aufschreien: „Der Lauer ist für weniger Demokratie?“ Ich fasse einmal zusammen, was nach meiner Auffassung in dem Artikel drin steht:
 
1. Christopher Lauer hat einen Antrag zum Urheberrecht ins Liquid Feedback (LQFB) gestellt.
An und für sich sehe ich hier nichts Schlimmes. Die Basis entscheidet über den Antrag und soll dran mitarbeiten, das hat auch Christopher Lauer im Interview gesagt. Obgleich Bruno Kramm als Urheberrechtsbeauftragter inhaltlich vermutlich an einer anderen Front kämpft, sehe ich kein Problem darin, einen gegensätzlichen oder anderen Antrag einzustellen. Auch wenn Christopher Lauer inzwischen eine größere Medienpräsenz hat, bleibt er wie jeder Pirat auch ein Basismitglied und hat deswegen nicht mehr oder weniger Rechte darauf, Anträge zu stellen und zu diskutieren als andere. Mit gegensätzlichen Meinungen müssen wir lernen, umzugehen. Genauso verhält es sich mit einer Aussage aus dem Interview:
 
2. „Es geht hier, das darf nicht vergessen werden, um eine sachliche Debatte und nicht um irgendwelche Träumereien, die sich auf Bundesebene niemals umsetzen lassen, weil Brüssel das Sagen hat.“
Ein Satz, der einigen Piraten aufgestoßen haben dürfte. Ja, wir haben viele Träumer und Visionäre. Das halte ich auch nicht für verkehrt, auch weil ich selbst oft ein Visionär bin, doch genauso akzeptiere ich Gegenansichten und –vorschläge, wie es in einer Basisdemokratie auch sein sollte. Wenn Christopher also bisherige Ansätze für Träumereien hält, darf er das gerne sagen. Am Ende entscheidet eh die Basis und nicht er.
 
3. Christopher Lauer wählte die Presse als Kommunikationsmedium für seinen Antrag.
Das wird für ihn selbst noch ein Problem, wie ich befürchte. Von dem Shitstorm aus eigenen Reihen abgesehen, könnte Christopher schnell eine Medienwatsche bekommen, wenn der Antrag abgelehnt wird. Und positive Werbung für LQFB-Anträge dürfte der Weg über die Öffentlichkeit nicht gewesen sein, wie man den ersten Reaktionen auf Twitter entnehmen kann. Nehmen wir mal an, der Antrag wird abgelehnt: ich sehe schon Überschriften wie: „Lauer von eigener Partei ausgehebelt“. Und das Resultat davon ist simpel, denn einerseits wird Christopher einige Minuspunkte bei der Basis und der Öffentlichkeit sammeln, andererseits muss er dann noch mit den Konsequenzen leben. Das ist für mich das eigentliche Eigentor, was er sich geschossen hat. Aber er wollte es so, sich eine Lose-Lose-Situation zu schaffen. Und wenn der Antrag angenommen wird? Dann hat die Basis sich eben so entschieden und wir müssen es akzeptieren, ob einige Piraten es gut finden oder nicht. So läuft Basisdemokratie.
 
4. Die Überschrift
Bei den Thüringer Mediengesprächen [2] stellte Dr. Christoph Neuberger [3] eine Studie vor. Ein Resultat seiner Forschung ist, dass die meisten Menschen im Internet aufgrund der Informationsvielfalt nur noch die Überschriften und die ersten Sätze lesen. Und das weiß auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung [1]. Die Überschrift ist wie so oft eine populistische Verzerrung des tatsächlichen Inhaltes. Das können wir überall beobachten, sei es Spiegel-Online, tagesschau.de, taz.de usw. Und jetzt auch hier. „Weniger Demokratie wagen“. Mag sein, dass ich des Lesens nicht vollständig mächtig bin, jedenfalls habe ich nirgendwo im Artikel etwas vernommen, was irgendwie auf eine Beschneidung der Demokratie hinweist. Oder auch: „Ist dies das Ende der Basisdemokratie?“ Anhand solcher Betitelungen verstehe ich inzwischen, woher der Begriff „Medien-Dino“ kommt. Es muss eine Mutation aus einer ungeheuren Anzahl von Mücken sein, aus denen was Größeres als Elefanten gemacht wurde. Die Präsenz dieses Urviechs muss eine so ungeheure Anziehungskraft haben, dass die meisten Menschen wie wild lediglich die Überschrift des Artikel ohne Rücksicht auf Inhalte durch die Gegend twittern und jeder daraus die Schlussfolgerung zieht, die ihm in den Kram passt.
 
Ich erkenne jedenfalls nichts, was die Piratenpartei an ihrer Arbeit ab jetzt hindern sollte. Und wenn wir nicht aufhören uns über jeden noch so kleinen Fliegenfurz wie Beakers-Army zu verhalten, könnten wir Piraten eventuell wirklich bald Schaden nehmen. Nicht, weil Medien wie ein Rudel Wölfe auf den nächsten Fehltritt einzelner Piraten warten, sondern weil andere Piraten immer und immer wieder der Presse beim Aufblähen unsinnigen Schwachsinns helfen anstatt sich um die oft propagierten „Inhalte statt Köpfe“ zu kümmern. Meinungsfreiheit und das Recht, eigene (Gegen-)Initiativen ins LQFB zu stellen und daran mitzuarbeiten, steht jedem Piraten zu, und das sind die Inhalte dieses Interviews. Wenn ihr mich jetzt entschuldigt: ich muss mich für die Demo gegen die GEMA-Tarifreform fertig machen.
 
Autor: Kai Felske
 
[1] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/urheberrecht/gespraech-mit-christopher-lauer-weniger-demokratie-wagen-11880160.html
[2] http://www.tlm.de/tlm/aktuelles_service/veranstaltungen/archiv/2012/mediengespraech/index.php
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Neuberger

 

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