Pressemeldung Selbstbestimmtes Leben Thüringen

Gewalt löst nicht das Jenaer Wohnungsproblem!

Ausgehend vom Ernst-Abbe-Campus der Friedrich-Schiller-Universität Jena fand am 2. Juli eine friedliche Kundgebung mit anschließendem Demonstrationszug durch die Innenstadt statt. Diese wurden organisiert vom Bündnis „StepAgainst“. Unterstützt wurde sie von der PIRATEN Hochschulgruppe, die, gemeinsam mit dem Studierendenrat und Intergrün, entschlossen demonstrierten gegen die von der Landesregierung und dem Senat der FSU ausgehenden Kürzungen. Diese Veranstaltung verlief ohne Eskalationen und Zwischenfälle.

Im Vorfeld der „StepAgainst“-Demo fand am 2. Juli in der Carl-Zeiss-Straße auch eine friedliche studentische Hausbesetzung statt. Ziel der Hausbesetzung war es unter anderem, auf den akuten Wohnungsmangel hinzuweisen, der in Jena herrscht, während in der Innenstadt ganze Gebäude leerstehen. Das Haus ist Eigentum des Uniklinikums. Dieses veranlasste die Polizei gegen 14 Uhr das Gebäude gewaltsam von einem deutlich überdimensionierten Polizeiaufgebot zu räumen. Die offizielle Begründung des Klinikvorstands lautete, dass die Immobilie, die vom Klinikum aktuell als Lager verwendet wird, von Schimmel befallen sei und daher die Gesundheit der Besetzer gefährde. Bereits hier stellt sich die Frage, wie ein Gebäude, das massiv von Schimmel befallen ist, als Lagerort genutzt werden kann.
Unabhängig von den Hintergründen der Räumung ist jedoch besonders das Verhalten der Polizei zu hinterfragen: Ist wirklich ein Aufgebot von über 100 Polizisten notwendig, um einige friedliche Studenten von einer Protestaktion abzuhalten? Eigens zur Auflösung dieser Besetzung wurden Bereitschaftspolizisten aus der ganzen Bundesrepublik in die Universitätsstadt Jena gebracht. Diese entschlossen sich, nachdem erste Verhandlungen mit den Besetzern scheiterten, gewaltsam unter Zuhilfenahme von Rammböckenund Brecheisen in das Objekt einzudringen. Dort wurden sogar willkürlich Studenten von Polizisten zu Boden gebracht, die sich hinter der polizeilichen Absperrung befanden und friedlich das Geschehen verfolgten. Auch versperrte die Polizei Notausgänge des auf dem Campus befindlichen Universitätsgebäudes, in dem zu diesem Zeitpunkt universitäre Veranstaltungen stattfanden. So ist es kaum verwunderlich, dass Verwirrung auftrat, als schließlich ein Feueralarm ausgelöst wurde und betreffende Notausgänge nicht genutzt werden konnten.

»Ich frage mich«, so Alexandra Bernhardt, Spitzenkandidatin zur Landtagswahl, »ob ein solches Polizeiaufgebot mit seinem deutlichen Gewaltpotenzial nötigt ist, um eine friedliche Hausbesetzung zu räumen. Wozu unbeteiligte Studenten in der Universität durch eine Blockade eines Notausganges unnötig in Gefahr bringen? Außerdem bin ich bestürzt, dass Beobachter und sich solidarisierende Menschen, die keinerlei Ordnungswidrigkeiten begangen haben, von gewaltbereiten Bereitschaftspolizisten in Anwesenheit des polizeilichen Kommunikationsteams zu Boden gebracht werden konnten.« Als Resultat der Räumung wurden drei Besetzer in Handschellen abgeführt.

Bernd Schreiner, Vorsitzender der PIRATEN Thüringen und Kandidat für die bevorstehende Landtagswahl fordert, vor allem die Quelle des Problems anzugehen: »Ich blicke kritisch auf die Wohnungsbaupolitik in Thüringen. So wandern zunehmend junge Menschen aus den ländlichen Regionen des Freistaates ab, um in größere Städte zu ziehen. Während sich Studenten aufgrund fehlenden bezahlbaren Wohnraums bewusst für ein anderes Bundesland entscheiden, stehen in Jena Gebäude in optimaler Lage leer oder bieten nur für Studenten völlig überteuerten Wohnraum.

Zur Würde des Menschen gehört auch würdevolles Wohnen, Wohnraum muss daher für alle bezahlbar sein. Derzeit ist eine starke soziale Entmischung in den Städten zu beobachten, die sich besonders deutlich in einer zunehmenden Konzentration von einkommensschwachen Haushalten in den Großwohnsiedlungen am Stadtrand sowie einer intensiven Gentrifizierung – also einer „Aufwertung“ mit weitreichenden sozialen Folgen – der innerstädtischen Altbauquartiere äußert. Der Gentrifizierung ist durch integrierte, partizipative und transparente Planung sowie stärkere Berücksichtigung sozialer Aspekte entgegenzuwirken. Darüber hinaus ist ein Wiedereinstieg des Bundes in den sozialen Wohnungsbau unabdingbar.« [1]

Fotos: https://www.dropbox.com/sh/nvrpsz0t5bqcjr3/AAC6R9qVNPOE-zTWbxH7szhfa
CC BY-SA-NC-ND Felix Kalbe

Quellen:
[1] http://wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2013/Wahlprogramm#Bauen_und_Wohnen