Kandidatenblog

Bürgerbegehren aus Notwehr

Die Friedrich-Ebert-Stiftung Thüringen und Mehr Demokratie e.V. haben gestern zu einem Diskussionsforum mit dem Thema „Wo klemmt es (noch)? Bürgerbegehren in  Thüringen – Praxis und Reformbedarf“ nach Erfurt in’s Haus Dacheröden eingeladen. Der Einladung folgten Vertreter zahlreicher Bürgerinitiativen, die in der Diskussion mit der SPD-Spitzenkandidatin Heike Taubert Probleme und Barrieren bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden besprechen wollten. Doch gleich zu Beginn stellte sich heraus, dass Ministerin Taubert nicht bis zum geplanten Ende der Veranstaltung bleiben könnte.

Am Anfang hielt die Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit einen Vortrag mit dem schönen Titel „Die Direkte Demokratie – Vitaminspritze für die Kommunalpolitik?“. Viel Inhaltliches konnte ich dieser Rede leider nicht entnehmen, es fehlte gar der rote Faden.
So wurde herausgestellt welche Auswirkungen Bürgerentscheide für die Poltik und Gemeinschaft haben können und ein vorsichtiger Umgang damit angemahnt. Es war ein unemotional vorgetragener Beitag, der eher abwägender und teilweise auch ablehnender Natur war.

Anschließend durften sich die einzelnen Bürgerinitiativen vorstellen und ihre Probleme auf dem Weg zum Bürgerentscheid zur Diskussion stellen. Dies war der eigentlich interessante und bewegende Teil der Veranstaltung. Ich habe schon lange nicht mehr so viele Menschen getroffen, die so begeistert und aufopfernd für ihre Sachen kämpfen!

Die einzelnen angesprochenen Kritikpunkte an der aktuellen Situation:

  • Fragestellung: Auf dem Stimmzettel darf nur ein Satz, der mit Ja oder Nein beantwortert werden muss. Alternative Optionen (Beispiel: Wollen wir Projekt X in Version A (ganz groß), Version B (etwas kleiner), Version C (minimalistisch) oder Version D (gar nicht) bauen?) sind bisher nicht möglich.
  • Kosten für die Aufwendungen, welche im Rahmen des Bürgerbegehrens entstehen (auf Landesebene ist diese bereits geregelt) sollten durch die Gemeinde erstattet werden.
  • Rechtsberatung und Rechtsbeistand sollte im Sinne des Gleichheitsgebots durch die Gemeinde zur Verfügung gestellt werden.
  • Die Geltungsdauer eines erfolgreichen Bürgerentscheids beträgt zur Zeit lediglich zwei Jahre. Dies reicht nicht aus!
  • Ein vorgeschaltetes Mediationsverfahren/Bürgerdialog wäre wünschenswert.
  • Die Beteiligungskultur im Freistaat sollte generell verbessert werden.
  • Beteiligungshürden senken durch Online-Sammlungen!
  • Negativlisten, welche Bürgerbegehren unmöglich machen, müssen im Sinne der Bürger überarbeitet werden!
  • Die strikten Regelungen zu Vertrauenspersonen müssen gelockert werden.

Viele dieser Punkte und weitere sind inm Forderungskatalog von Mehr Demokratie e.V. enthalten. Leider stieß das Bündniss bisher damit auf taube Ohren. Weitere wichtige Punkte sind unter anderem das fakultative Referendum, Einführung eines Ratsbegehren und Informationspflicht für die Gemeindeverwaltung.

Die vorgestellten Bürgerinitiativen waren:

Zum Ende der Anwesenheit von Frau Taubert wurde sie gefragt, was die SPD nun tun wird um die direkte Demokratie in Zukunft besser zu machen? Damit es vielleicht auch mehr Spaß macht.
Die Antwort auf diese Frage empfand ich als äußerst ernüchternd, denn Ministerin Taubert entgegnete, dass es auch weiterhin keinen Spaß machen wird. Wie wahr, wie wahr…

Einzige Antwort auf diesen ganzen Problempunkte ist von der Spitzenkandidatin, dass die Menschen über Großprojekte früher informiert werden müssen.
Von völligem Unwissen geprägt war das Beispiel von Ministerin Taubert als sie als Beispiel für einen negativen Bürgerentscheid den Jenaer Eichplatz nannte. Denn schließlich handeltes es sich hier um eine Bürgerbefragung bei der sich die Mehrheit der Jenaer Einwohner gegen eine Bebauung des Eichplatzes aussprachen und damit den Forderungen der Bürgerinitiative „Mein Eichplatz – Unser Jena“ folgte. Der Antrag auf ein Bürgerbegehren im Jahr 2011, das eine stärkere Bürgerbeteiligung umzusetzen suchte, wurde vom Rechtsamt der Stadt Jena mit der Begründung einer Verfristung abgelehnt.

Laut dem Sprecher des Mehr Demokratie e.V. Landesverbandes Ralf-Uwe Beck war das Diskussionsforum auch gleichzeitig das erste Zusammentreffen aller aktiven Bürgerinitiativen in einer solcher Form.
Das Fazit des Abends war, dass ein Bürgerbegehren letztendlich immer die Ultima Ratio ist. Auf dem Weg zu einem Bürgerentscheid müssen die Bürgerinitiativen schwierige Wege gehen und nicht selten sind es die Verwaltungen, die dies zusätzlich erschweren. Umso begeisterter bin ich von diesem Enthusiasmus und Willen für die Sache einzustehen.
Damit dieser Kampf nicht vergebens ist und in der Zukunft bestehende Barrieren abgebaut werden braucht es Politiker, die den Willen haben sich auf Veränderung einzulassen und dem Bürger die geeigneten Werkezeuge für Mehr Demokratie in die Hand zu geben.

Quellen:

1 Kommentar zu “Bürgerbegehren aus Notwehr