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De-Mail: Unsicher und teuer für den Bürger

Keine vollständige Verschlüsselung
Wer seine E-Mails mit einem herkömmlichen Verschlüsselungs- und Signierprogramm (wie etwa PGP) bearbeitet, möchte sicher gehen, dass wirklich nur der adressierte Empfänger die E-Mail entschlüsseln kann. Gleichzeitig wird die Möglichkeit geboten, die Herkunft und die Unversehrtheit der Nachricht eindeutig feststellen zu können. Beim offiziellen Dienst De-Mail gibt es diese Sicherheit nicht. Der Master-Schlüssel für alle E-Mails ist auf den De-Mail-Servern gespeichert. Behörden, und alle anderen, die an diesen Master-Schlüssel gelangen, können so auf jede Kommunikation zugreifen, ohne dass der Empfänger es merkt. Dieses Sicherheitsproblem wurde nicht nur von den PIRATEN kritisiert – auch der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, wies mehrfach auf diesen wichtigen Punkt hin. Leider fand die Kritik bei der Bundesregierung kein Gehör.
Bernd Schreiner, politischer Geschäftsführer der PIRATEN Thüringen sagt dazu: „Die De-Mail ist nach wie vor nur mit einer unzureichenden Verschlüsselungstechnik ausgestattet. Auf die deutlich sichere „Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“ wurde standardmäßig verzichtet. Dem hohen Rechtsgut des Briefgeheimnisses nach Artikel 10 des Grundgesetzes wird somit bei der De-Mail nicht genüge getan. Auch moderne elektronische Kommunikation sollte das Briefgeheimnis bewahren können und nicht eine Sicherheit suggerieren, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist.“
Ladungsfähige Anschrift
Die De-Mail soll den E-Mail-Verkehr zu einer rechtsverbindlichen Form aufwerten. Das bedeutet: In Zukunft können öffentliche Stellen Schreiben auch per Mail an die Bürger verschicken, wobei die Kosten für Briefe entfallen.
Hendrik Stiefel, Vorsitzender der PIRATEN Thüringen führt weiter aus: „Das ist für die Behörden praktisch, für den Bürger bedeutet es aber in erster Linie neue Prüfpflichten.
Anders als bei einer normalen E-Mailadresse, gilt die De-Mail drei Tage nach dem Absenden als zugestellt. Wie bei der postalischen Zustellung starten beispielsweise Widerspruchsfristen gegen amtliche Bescheide automatisch mit Zustellung, in diesem Fall also die Zustellung in das De-Mail-Postfach und nicht erst nach dem Abrufen der De-Mail durch den Bürger. Wer nicht täglich das Postfach kontrolliert, verpasst womöglich wichtige Fristen. Das kann teuer werden. Bei einem Anhörungsbogen wegen einer vermeintlichen Ordnungswidrigkeit, kann ein Bürger beispielsweise im Bereich der StVO mit einer Zahlung von 15 Euro das Verfahren beenden. Dafür hat er sieben Tage nach Zugang des Schreibens Zeit. Der Zeitraum beginnt im De-Mail-Postfach direkt mit Zugang der Mail mit dem Anhörungsbogen. Versäumt der Bürger diese Frist, wird direkt ein Bußgeldverfahren eingeleitet, welches deutlich teurer ist. Wie beim normalen Briefkasten auch, müsste jeder De-Mail-Nutzer täglich seinen De-Mail-Account auf neue Zustellungen kontrollieren.“
Besonders brisant ist, dass die im realen Leben mögliche Kontrolle des Briefkastens durch Vertrauenspersonen während des Urlaubes, aufgrund der weitreichenden Sicherheitsmaßnahmen bei der Identifizierung bei der De-Mail nicht möglich ist.
Neue Kosten für Bürger
Das neue De-Mail wird ein kostenpflichtiges Verfahren werden. Noch ist nicht klar, welche Kosten genau auf die Bürger zukommen. Bei ähnlich gelagerten Dienst der Deutschen Post (ePost Brief) kostet aber eine E-Mail beispielsweise 55 Cent.
Hendrik Stiefel weiter: „Die Wirtschaft und die staatliche Verwaltung hat durch das Einführen der De-Mail eine große Kostenersparnis. Dies ist durchaus zu begrüßen, jedoch sollte dieser Kostenvorteil auch den Bürgern zu Gute kommen und nicht nur die Profite der Unternehmen absichern. Schließlich wurde das System bereits durch staatliche Mittel konzipiert und umgesetzt. Der Steuerzahler sollte demzufolge nun auch davon finanziell profitieren und diesen Dienst kostengünstig zur Verfügung gestellt bekommen.
Noch ist die Teilnahme an De-Mail glücklicherweise freiwillig. Aufgrund der schweren Sicherheitsbedenken und der vielen Nachteile für die Bürger, raten die PIRATEN Thüringen aktuell allen Bürgern dringend davon ab, den Dienst zu nutzen.“
Im jeweiligen Gesetz zur Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie definiert jedes Bundesland, wie die Bürger mit Behörden sicher und rechts-konform elektronisch kommunizieren können und auf Wunsch Verwaltungsakte in Gang setzen können. Dies ist bereits seit Ende Dezember 2009 Realität. Jedoch setzt dies eine nach dem Signaturgesetz  „vollqualifizierte“ Signatur voraus – diese ist relativ teuer. Eine Behörde muss natürlich überprüfen können, ob der Anfragende bzw. der Antragsteller derjenige ist, für den er sich ausgibt. Gleiches gilt auch für einen Bürger. Dies ist möglich, wenn beide Seiten die „vollqualifizierten“ Signaturen einsetzen. Dadurch wird das Verfahren für die Beteiligten sicher aber auch teuer.
Nur wenn sich viele Bürger vom neuen De-Mail-Dienst aufgrund der gravierenden Mängel fernhalten, wird die Bundesregierung eventuell dazu angehalten, bei den Mängeln des De-Mail-Dienstes nachzubessern.
Dabei sollte die Bundesregierung auch in Betracht ziehen, jedem Bürger eine „vollqualifizierte“ Signaturkarte inklusive Lesegerät kostengünstig zur Verfügung zu stellen.
Dies hätte bereits mit Einführung des neuen Personalausweises (ePerso) geschehen können. Stattdessen wurde mit einem Gesetz ein Weg für ein lukratives Geschäftsmodell für wenige große Firmen bereitet.