Artikel Piratengedanken

Piratengedanken: Die SG Presse und die Bundeswehr

Die Aktion „Piratengedanken“ ermöglicht es jedem Pirat seine Gedanken zu einem Thema seiner Wahl zu veröffentlichen. Diese Ausführungen sind keine Aussagen der Piratenpartei oder der PIRATEN Thüringen. Es handelt sich lediglich um Einzelmeinungen von Mitgliedern.
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Die SG Presse dürfte es diese Tage nicht leicht haben. Das BVerfG schränkte kürzlich die Möglichkeiten ein, in welchen die Bundeswehr auch nach Innen eingesetzt werden darf. Das betrifft zunächst einmal das „Luftsicherheitsgesetz“ [1]. Ich glaube, in fast jedem ersten Semester Rechtswissenschaften wird die prekäre Situation geschildert, wenn Flugzeuge entführt werden und wie sich in dem Fall die Bundeswehr verhalten soll.

Doch die Folgen dieser Rechtsprechung sind, wie viele befürchten, größeren Ausmaßes. Gleichzeitig nämlich beschloss das BVerfG die Grenzen für den Einsatz der Bundeswehr bzw. des Bundesgrenzschutzes, wenn in Deutschland so genannte „Notsituationen“ oder „Naturkatastrophen“ eintreten.

Zweiteres lässt sich einfach beantworten: wenn beispielsweise ein riesiges Erdbeben Deutschland heimsucht, darf die Bundeswehr Unterstützung leisten. Dieses lässt sich aus Artikel 35 Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes problemlos ableiten [2].

Hier findet sich auch ein Knackpunkt des Urteils wieder: vorher war es unklar, inwiefern sich die Bundesregierung auch in einer „Notsituation“, genauer „Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“, wie sie in Art. 35 Abs. 2 genannt wird, auf eben diesen Artikel berufen darf, um die Bundeswehr nach Innen einzusetzen. Kurz gesagt: theoretisch war es vor dem Urteil möglich, sich darauf zu berufen. Und wie eine „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ allein ausgelegt werden könnte, dürfte schon vorher jedem Piraten ein Dorn im Auge gewesen sein. Aber merkwürdigerweise echauffierten sich die meisten Piraten erst NACH diesem Urteil. Warum eigentlich? Denn mit dem Urteilsspruch des BVerfG wurde deutlich klargestellt, dass sich die Bundesregierung eben NICHT mehr auf Art. 35 Abs. 2 und 3 GG allein berufen darf, um die Bundeswehr nach Innen einzusetzen.
Zitat: „Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG schließen die Verwendung
spezifisch militärischer Waffen bei Einsätzen der Streitkräfte nach
diesen Vorschriften nicht grundsätzlich aus, lassen sie aber nur unter engen Voraussetzungen zu, die insbesondere sicherstellen, dass nicht die strikten Begrenzungen unterlaufen werden, die einem bewaffneten Einsatz der Streitkräfte im Inneren durch Art. 87a Abs. 4 GG gesetzt sind.“

Mit anderen Worten: bevor die Bundesregierung überhaupt über Art. 35 GG zur Gefahrenabwehr nachdenken darf, muss Art. 87a Abs. 4 GG berücksichtigt werden. Das dürfte der Hauptgrund gewesen sein, der unsere SG Presse und Rechtsabteilung jubeln ließ [3]. Hurra, kein Artikel 35 mehr zur Gefahrenabwehr legitim, stellt den Schampus kalt, macht Popcorn auf! Diese blöde CDU hat wieder ein Schlag abbekommen, ein großer Tag für Bürgerrechte, jetzt können wir ja…. Oh, Moment mal, wir sind ja noch gar nicht fertig hier. Da steht doch was von Art. 87a Abs. 4 GG [4]. Dieses ominöse Gesetz mit den strengen Richtlinien. Schauen wir mal, was da so Feines steht.

„Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen des Artikels 91 Abs. 2 vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Der Einsatz von Streitkräften ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.“

Na Heureka, das ist doch mal streng. „Drohende Gefahr für […] die freiheitlich demokratische Grundordnung“ ist doch mal wirklich eindeutig… nicht. Und dann noch diese verflixten Rechtwissenschaften, nun kommt auch noch Art. 91 Abs. 2 GG ins Spiel [5]. Kurz geseufzt und reingeschaut:

„Ist das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage, so kann die Bundesregierung die Polizei in diesem Lande und die Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes einsetzen. Die Anordnung ist nach Beseitigung der Gefahr, im übrigen jederzeit auf Verlangen des Bundesrates aufzuheben.“
Na denn, immer man her mit dem BGS, wenn ein Land in Gefahr ist. Für unseren Zweck nur am Rande interessant. Fassen wir lieber mal zusammen, was wir bisher gelernt haben:

1. Bundeswehr nach Innen geht auch nach Art. 35 GG, wenn vorher Art. 87a berücksichtigt wurde.
2. Art. 87a GG spricht von einer Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung, die die Bedingung für den Einsatz der Bundeswehr sein muss.

Was hat die SG Presse also verbrochen? Sie ist in ihrer Pressemitteilung nur den halben Weg gegangen. Natürlich ist es begrüßenswert, wenn der Bundeswehr bzw. der Bundesregierung scheinbar härtere Grenzen gesetzt werden und der CDU für ihre ständigen Verfassungsbrüche schallende Ohrfeigen des BVerfG um die Ohren fliegen. Doch die Befürchtung vieler Piraten ist es, und das vielleicht nicht zu Unrecht, dass die Bundeswehr weiterhin nach Innen eingesetzt werden kann, um ihre Waffen gegen das eigene Volk zu erheben, wenn dessen Verhalten einer Bundesregierung nicht in den Kram passt. Die Bundeswehr hat schlichtweg nicht gegen das eigene Volk vorzugehen, in keinem nur erdenklichen Fall, sondern soll dieses unterstützen, wenn Naturkatastrophen o.ä. Deutschland heimsuchen und humanitäre Hilfe benötigt wird. Korrekterweise hätte die Pressemitteilung lauten müssen: „Piraten begrüßen ersten Schritt des BVerfG für ein Verbot der Bundeswehr nach Innen“ und im Text darauf hinweisen müssen, dass wir uns noch lange nicht damit zufrieden geben. Ich schlage deshalb vor, dass unsere Presseabteilung noch einen nachlegt und einen Piraten mit eben dieser von mir zitierten „grundpiratigen“ Einstellung zu Wort kommen lässt, ohne aber dabei die SG Presse härter zu schelten als notwendig. Warum auch? Die Pressemitteilung ist, wie ich schon meinte, nur der halbe Weg und wir machen alle Fehler. Trotz alledem darf diese Pressemitteilung nicht allein stehenbleiben und benötigt eine klarere Darstellung.

Pirat Kai

 

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