Die Aktion “Piratengedanken” ermöglicht es jedem Pirat seine Gedanken zu einem Thema seiner Wahl zu veröffentlichen. Diese Ausführungen sind keine Aussagen der Piratenpartei oder der PIRATEN Thüringen. Es handelt sich lediglich um Einzelmeinungen von Mitgliedern. **********************************************
Die UNO-Konvention zur Inklusion schreibt vor, dass allen Schülern gleiche Voraussetzungen zum Lernen geschaffen werden sollen. Gemeint ist damit, dass zum Beispiel jemand, der im Rollstuhl sitzt, nicht mehr nur deswegen in einer Förderschule beschult werden darf. Soweit ist das eine tolle Idee zur Gleichstellung in Schulen, kostet aber natürlich mehr Geld, da Schulen umgebaut und Personal zur Betreuung eingestellt werden müssen. In Thüringen zeigt sich jetzt, wie solche Vorgaben in der Realität umgesetzt werden. Sie werden nämlich als willkommener Anlass zu weiteren Einsparungen gesehen, die am Ende Schülern wie Lehrern auf die Füße fallen.
Aktuell sind etwa 10% der thüringer Schüler so genannte Förderschüler, also Schüler, die wegen Einschränkungen an Körper, Geist oder Seele in verschiedenen Schulen unterrichtet werden. Nun gilt die Order, dass es bis 2014 nur noch 4% Förderschüler geben darf, alle anderen müssen „inkludiert“ werden. Dabei wurde aber auf ein durchdachtes Konzept verzichtet. Stattdessen wird folgende Rechnung für gewöhnliche Schulen aufgemacht:
- pro Klasse lernen 25 Schüler
- fünf davon sollen Schüler mit Förderbedarf sein (dabei ist egal, ob die Ursache eine geistige, körperliche oder seelische Behinderung ist!)
- auf jeweils 25 Schüler mit Förderbedarf soll es nur eine zusätzliche Fachkraft zur Förderung geben. Diese Fachkraft ist für 24 Schulstunden plus Vor- und Nachbereitung eingestellt, kommt also auf 40 Wochenstunden Arbeitszeit.
Unterm Strich bleibt damit in Zukunft pro Schüler und Woche nur knapp eine Schulstunde – also 45 Minuten! – zur Förderung. Diese 45 Minuten pro Woche sollen eine Umsetzung der UNO-Konvention darstellen und gleiche Chancen für alle Schüler schaffen….. Ernsthaft? In der Praxis würde dann die Fachkraft versuchen, fünf Klassen, eventuell noch verteilt auf verschiedenen Schulen, abzudecken und soll allein die Arbeit übernehmen, die an einer Förderschule ein Lehrer und eine sonderpädagogische Fachkraft gemeinsam machen. Und dabei sind die Klassen an Förderschulen bedeutend kleiner.
Unterm Strich bleibt damit in Zukunft pro Schüler und Woche nur knapp eine Schulstunde – also 45 Minuten! – zur Förderung. Diese 45 Minuten pro Woche sollen eine Umsetzung der UNO-Konvention darstellen und gleiche Chancen für alle Schüler schaffen….. Ernsthaft? In der Praxis würde dann die Fachkraft versuchen, fünf Klassen, eventuell noch verteilt auf verschiedenen Schulen, abzudecken und soll allein die Arbeit übernehmen, die an einer Förderschule ein Lehrer und eine sonderpädagogische Fachkraft gemeinsam machen. Und dabei sind die Klassen an Förderschulen bedeutend kleiner.
Im Moment werden in ganz Thüringen Förderschulen geschlossen und Schüler im nächsten Schuljahr zwangsumgeschult. Das ist der Punkt, wo ich persönlich von den Plänen betroffen sein werde. Ich arbeite an einer freien Förderschule [1] und bin damit genau wie alle anderen Lehrer dort kein Angestellter des Landes Thüringen. Bei Schulen wie meiner muss sich das Land also keine Gedanken darüber machen, was mit den Lehrern passiert, die wegen der Schulschließungen arbeitslos werden. Damit ist klar, dass die Freien Förderschulen als erstes geschlossen werden.
Mir geht es jedoch nur zweitrangig um meinen Job. Mir geht es vor allem um die Schüler, die ich betreue. Schüler, für die diese Form der „Inklusion“ einen Schritt zurück bedeutet: Einen Schritt zurück in Schulen, an denen sie nicht gewünscht sind. In Schulen, in denen sie wegen ihres Verhaltens, ihrer Traumata und der daraus folgenden seelischen Behinderung eben nicht wie alle anderen lernen können. Diese Schüler brauchen ein geschütztes Umfeld, in dem sie sich entwickeln können und Stück für Stück auf die Gesellschaft vorbereitet werden.
Leider werden Sonderfälle vom Thüringer Konzept der Inklusion nicht bedacht.
Seit Jahren sagen uns Schulen, Jugendämter und Eltern, wie wichtig unsere Schule ist. Letztes Jahr begriff das auch das Kultusministerium und erstellte eine staatliche Anerkennung (nach 16 Jahren als so genannte Ersatzschule), aber wir bekommen trotzdem nur 60% der Mittel einer staatlichen Förderschule. In den letzten Jahren konnten die fehlenden 40% durch den Träger und ein angeschlossenes Jugendheim ausgeglichen werden [2], aber irgendwann ist der Brunnen leer.
Es gab Verhandlungen mit Kultus- und Sozialministerium, mit Schul- und Jugendämtern – aber niemand sieht sich in der Verantwortung. Wir haben einen Finanzplan vorgelegt: Gleichstellung zu staatlichen Förderschulen und 4 Euro am Tag pro Schüler vom Jugendamt. Kultus- und Sozialministerium könnten sich also die Kosten teilen, aber alles was uns begegnet ist eisiges Schweigen.
Die ersten Kollegen haben bereits ihre Kündigung bekommen, um die Fristen einzuhalten. Wir werden zum Schuljahresende schließen müssen. Was mit unseren 50 Schülern passiert ist unklar, denn eine Schule, die sie aufnehmen würde, gibt es nicht.
Jörg Wesp
Die Aktion “Piratengedanken” ermöglicht es jedem Pirat seine Gedanken zu einem Thema seiner Wahl zu veröffentlichen. Diese Ausführungen sind keine Aussagen der Piratenpartei oder der PIRATEN Thüringen. Es handelt sich lediglich um Einzelmeinungen von Mitgliedern. **********************************************
Die UNO-Konvention zur Inklusion schreibt vor, dass allen Schülern gleiche Voraussetzungen zum Lernen geschaffen werden sollen. Gemeint ist damit, dass zum Beispiel jemand, der im Rollstuhl sitzt, nicht mehr nur deswegen in einer Förderschule beschult werden darf. Soweit ist das eine tolle Idee zur Gleichstellung in Schulen, kostet aber natürlich mehr Geld, da Schulen umgebaut und Personal zur Betreuung eingestellt werden müssen. In Thüringen zeigt sich jetzt, wie solche Vorgaben in der Realität umgesetzt werden. Sie werden nämlich als willkommener Anlass zu weiteren Einsparungen gesehen, die am Ende Schülern wie Lehrern auf die Füße fallen.
Aktuell sind etwa 10% der thüringer Schüler so genannte Förderschüler, also Schüler, die wegen Einschränkungen an Körper, Geist oder Seele in verschiedenen Schulen unterrichtet werden. Nun gilt die Order, dass es bis 2014 nur noch 4% Förderschüler geben darf, alle anderen müssen „inkludiert“ werden. Dabei wurde aber auf ein durchdachtes Konzept verzichtet. Stattdessen wird folgende Rechnung für gewöhnliche Schulen aufgemacht:
Unterm Strich bleibt damit in Zukunft pro Schüler und Woche nur knapp eine Schulstunde – also 45 Minuten! – zur Förderung. Diese 45 Minuten pro Woche sollen eine Umsetzung der UNO-Konvention darstellen und gleiche Chancen für alle Schüler schaffen….. Ernsthaft? In der Praxis würde dann die Fachkraft versuchen, fünf Klassen, eventuell noch verteilt auf verschiedenen Schulen, abzudecken und soll allein die Arbeit übernehmen, die an einer Förderschule ein Lehrer und eine sonderpädagogische Fachkraft gemeinsam machen. Und dabei sind die Klassen an Förderschulen bedeutend kleiner.
Unterm Strich bleibt damit in Zukunft pro Schüler und Woche nur knapp eine Schulstunde – also 45 Minuten! – zur Förderung. Diese 45 Minuten pro Woche sollen eine Umsetzung der UNO-Konvention darstellen und gleiche Chancen für alle Schüler schaffen….. Ernsthaft? In der Praxis würde dann die Fachkraft versuchen, fünf Klassen, eventuell noch verteilt auf verschiedenen Schulen, abzudecken und soll allein die Arbeit übernehmen, die an einer Förderschule ein Lehrer und eine sonderpädagogische Fachkraft gemeinsam machen. Und dabei sind die Klassen an Förderschulen bedeutend kleiner.
Im Moment werden in ganz Thüringen Förderschulen geschlossen und Schüler im nächsten Schuljahr zwangsumgeschult. Das ist der Punkt, wo ich persönlich von den Plänen betroffen sein werde. Ich arbeite an einer freien Förderschule [1] und bin damit genau wie alle anderen Lehrer dort kein Angestellter des Landes Thüringen. Bei Schulen wie meiner muss sich das Land also keine Gedanken darüber machen, was mit den Lehrern passiert, die wegen der Schulschließungen arbeitslos werden. Damit ist klar, dass die Freien Förderschulen als erstes geschlossen werden.
Mir geht es jedoch nur zweitrangig um meinen Job. Mir geht es vor allem um die Schüler, die ich betreue. Schüler, für die diese Form der „Inklusion“ einen Schritt zurück bedeutet: Einen Schritt zurück in Schulen, an denen sie nicht gewünscht sind. In Schulen, in denen sie wegen ihres Verhaltens, ihrer Traumata und der daraus folgenden seelischen Behinderung eben nicht wie alle anderen lernen können. Diese Schüler brauchen ein geschütztes Umfeld, in dem sie sich entwickeln können und Stück für Stück auf die Gesellschaft vorbereitet werden.
Leider werden Sonderfälle vom Thüringer Konzept der Inklusion nicht bedacht.
Seit Jahren sagen uns Schulen, Jugendämter und Eltern, wie wichtig unsere Schule ist. Letztes Jahr begriff das auch das Kultusministerium und erstellte eine staatliche Anerkennung (nach 16 Jahren als so genannte Ersatzschule), aber wir bekommen trotzdem nur 60% der Mittel einer staatlichen Förderschule. In den letzten Jahren konnten die fehlenden 40% durch den Träger und ein angeschlossenes Jugendheim ausgeglichen werden [2], aber irgendwann ist der Brunnen leer.
Es gab Verhandlungen mit Kultus- und Sozialministerium, mit Schul- und Jugendämtern – aber niemand sieht sich in der Verantwortung. Wir haben einen Finanzplan vorgelegt: Gleichstellung zu staatlichen Förderschulen und 4 Euro am Tag pro Schüler vom Jugendamt. Kultus- und Sozialministerium könnten sich also die Kosten teilen, aber alles was uns begegnet ist eisiges Schweigen.
Die ersten Kollegen haben bereits ihre Kündigung bekommen, um die Fristen einzuhalten. Wir werden zum Schuljahresende schließen müssen. Was mit unseren 50 Schülern passiert ist unklar, denn eine Schule, die sie aufnehmen würde, gibt es nicht.
Jörg Wesp