Piratengedanken

Piratengedanken: Keine Pressemitteilung zum Kernthema!

Die Aktion “Piratengedanken” ermöglicht es jedem Pirat seine Gedanken zu einem Thema seiner Wahl zu veröffentlichen. Diese Ausführungen sind keine Aussagen der Piratenpartei oder der PIRATEN Thüringen. Es handelt sich lediglich um Einzelmeinungen von Mitgliedern. **********************************************
Ich habe gehadert, ob ich diesen Text schreiben sollte. Denn es geht hier um Pietät, und ich kann nur hoffen, dass dieser Text richtig verstanden wird. Ich möchte ihn dennoch äußern und hoffe, Missverständnisse zu vermeiden.

Ich möchte erklären, warum die PIRATEN Thüringen keinen Text veröffentlicht haben zur Forderung von Hans-Peter Uhl zur Installierung einer Vorratsdatenspeicherung. Natürlich sind bei diesem Thema vor allem die Piraten gefragt und ich bin dankbar, dass sich so viele Piraten dazu klar und unmissverständlich geäußert haben. Denn für mich wäre dies schwer, vielleicht zu schwer, gewesen.

Zur Erklärung möchte ich kurz die Vorgeschichte rekapitulieren: Am 15.04.2013 wurde in Boston ein Bombenanschlag auf ein Großereignis verübt. Dabei handelte es sich um den Zieleinlauf des Bostonmarathons, wo viele Zuschauer standen und saßen. Diese Zuschauer waren das Opfer des Anschlages, der mit zwei Bomben durchgeführt wurde.

Täglich gehen überall auf dieser Welt Bomben in die Luft und reißen Menschen in den Tod. Dennoch war dieser Anschlag für mich besonders traurig. Und das hat zwei Gründe.

Zum einen liegt es an der Konstruktion der Bombe. Ich selbst, wie alle Piraten und vermutlich die meisten Menschen dieser Welt, halte Bomben als Statement für eine politische Aussage für unmöglich. Wenn eine Bombe dann aber wirklich für ein solches Statement genutzt werden soll, so frage ich mich, warum Nägel und Kugellager in die Sprengladungen gefüllt werden. Der Sinn solcher Metallstücke ist es, die „Wirkung“ der Bombe zu erhöhen. Bei der Detonation nehmen diese Metallteile die Wirkung von Schrapnellen ein, was die Zerstörung deutlich erhöht. Dafür sollte man sich aber klar machen, welche Wirkung verstärkt wird. Die reine physikalische Kraft der Bombe wird dadurch nicht größer. Auch die Feuer- und Rauchentwicklung wird dadurch nicht verstärkt. Auch der Terror der damit verbreitet wird, erhöht sich kaum. Allein die physiologische Wirkung auf Menschen wird potenziert. Die Metallteile reißen lebendes Gewebe auseinander, trennen Gliedmaßen ab und richten unendlichen Schaden im menschlichen Körper an. Das Ziel der Bombe war also nicht, ein Statement zu machen, oder besonders (auch medial) wirkungsvollen Schaden anzurichten. Das Ziel war es, so viele Menschen wie möglich zu verletzen, verstümmeln und zu töten.

Die zweite Grund stimmt mich dabei aber noch viel trauriger. Dafür sollte man erklären, was es für die Menschen, die an einem solchen Sport teilnehmen, bedeutet. Ich habe einen Freund, der diesen Sport betreibt. Ich hatte die Möglichkeit, seiner Einladung zu folgen und bei seinem Zieleinlauf mitzufiebern und konnte dabei einen kleinen Einblick in seine Gedankenwelt und die seiner Mitstreiter gewinnen. Für einige Läufer ist der Zieleinlauf etwas, worauf sie sich Jahre vorbereiten. Es ist z.T. ein sehr emotionaler Moment und ich habe einige sehr starke Emotionen beobachtet. Viele Läufer oder Triathleten betrachten den Zieleinlauf als Abschluss eines langen Prozesses und fallen ihren Freunden, ihren Lieben und ihrer Familie deswegen beim Ziel in die Arme. Deshalb sieht man auch viele Tränen am Ende eines solchen Laufes. Für viele ist es vergleichbar mit der Rückkehr nach Hause nach einer langen Reise. Weiterhin sind viele Menschen, die diesen Sport betreiben, etwas älter als die Aktiven in anderen Sportarten, ca. 35-45 Jahre alt. D.h. sie haben tendenziell eher Kinder, die bei dem Zieleinlauf natürlich dabei sind und ihre Eltern in diesem für sie sehr emotionalen Moment begleiten wollen, also überdurchschnittlich häufig solchen Sportevents beiwohnen. Und in diese Tribüne legte nun jemand eine Bombe.

So schrecklich die Tat, so vorhersehbar die Reaktion. Am 16.4.2013 forderte Hans-Peter Uhl wieder einmal die Vorratsdatenspeicherung.

Politik ist Theater. Es ist ein reglementiertes Spiel und es gibt vorgeschriebene Rollen. Die CDU, neben eigentlich allen anderen aktuellen und vergangenen Regierungsparteien, fordert alle paar Monate die Vorratsdatenspeicherung. Dabei wird erklärt, dass man die wirklich gefährlichen Kriminellen sonst nicht anders verfolgen kann. Und die Piraten erklären dann regelmäßig, dass dies eben genau nicht funktionieren wird. Und ich denke, ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass die Politiker der CDU/CSU nicht so dumm sind, als dass sie das alles nicht sehr genau verstehen. Es ist eine Stellvertreterdebatte, es ist Theater. Es geht nicht um Terroristen und Menschenhändler. Es geht bei der Vorratsdatenspeicherung um kleine Vergehen, z.B. um Urheberrechtsverletzungen oder Beleidigungen auf sozialen Netzwerken. Und ich finde es absolut unverständlich und verrückt wegen solchen Vergehen den Rechtsstaat an der Autobahnraststätte auszusetzen. Aber ich akzeptiere, dass es Menschen gibt, die das für einen guten Plan halten. Dies ist in diesem Fall eben der politische Gegner.

Aber ich persönlich habe das Gefühl, dass die Instrumentalisierung der Bomben von Boston für diese schon so lang geführte Debatte zu weit ging. Dieses Mal wollte ich nicht an diesem Theater teilnehmen und plädiere für etwas mehr Zurückhaltung der deutschen Politik.

Ich danke allen die sich dazu geäußert haben, dass sie diese so notwendige Erwiderung geschrieben haben. Ich hätte es nicht gekonnt.

Wilm Schumacher