Piratengedanken Veranstaltungshinweis

Wilm Schumacher: Piratengedanken zur Bestandsdatenauskunft

Die Aktion “Piratengedanken” ermöglicht es jedem Pirat seine Gedanken zu einem Thema seiner Wahl zu veröffentlichen. Diese Ausführungen sind keine Aussagen der Piratenpartei oder der PIRATEN Thüringen. Es handelt sich lediglich um Einzelmeinungen von Mitgliedern. **********************************************

Heute Abend 19:30 Uhr findet der Online-Auftakt für die Demonstrationen gegen die sogenannte Bestandsdatenauskunft statt. Am 14.4. ab 14 Uhr werden wir den Protest dann auf die Straße und vor die Staatskanzlei tragen.

In diesem Rahmen möchte ich mich noch einmal persönlich zu der Bestandsdatenauskunft im Rahmen der Piratengedanken äußern.

Beginnen möchte ich mit einigen Thesen zu dem Thema:

* Die Bestandsdatenauskunft ist die Abschaffung grundsätzlicher Bürgerrechte und ein Zeichen fehlender demokratischer Gesinnung
* Die Bestandsdatenauskunft ist der Offenbarungseid der deutschen Parteienlandschaft
* Die Bestandsdatenauskunft ist die logische Folge der Poltik der letzten Jahre, bzw. Jahrzehnte
* Die Bestandsdatenauskunft ist für die Verfolgung schwerer Kriminalität nutzlos

== Was ist die Bestandsdatenauskunft? ==

Die Bestandsdatenauskunft ist die Neugestaltung einiger Passagen des Telekommunikationsgesetzes. Aber die haben es in sich. Damit wird es bestimmten Behörden (s.u.) erlaubt, von Telekommunikationsanbietern bestimmte Daten über einen Kunden herauszugeben, die sogenannten Bestandsdaten. Das umfasst natürlich Name, Adresse und Kontoverbindung (was schon verrückt genug ist). Es umfasst aber auch die PIN des Handys und Passwörter von E-Mail-Postfächern (neben weiteren Diensten). Neben der Frage was denn die Polizei mit meiner PIN anfangen will, stellt sich für mich aber vor allem die Frage: Sind die denn vollkommen wahnsinnig geworden meine E-Mails zu lesen?

Und die Liste der Behörden, die das dürfen, ist lang. Verdächtig lang. Die Liste umfasst die Polizeibehörden der Länder, das Bundeskriminalamt, den Bundesnachrichtendienst, den militärischen Abschirmdienst(!) und selbstverständlich die vertrauensvollen Augen des Verfassungschutzes der Länder und des Bundes. Wenn das Vertrauen in den Verfassungschutz nicht durch das Versagen im Rahmen der NSU-Ermittlung schon vollständig vernichtet worden wäre, so ist es dies jetzt.

Nun wird der geneigte Leser dieses Postings einwenden, dass dies sicher nur für richtig böse Bösewichte gedacht ist. Leider muss ich diesem Einwand mit der Tatsache begegnen, dass diese Auskunft auch schon bei Ordnungswidrigkeiten eingeholt werden kann. Wer falsch parkt, könnte also damit rechnen, dass der Militärische Abschirmdienst seine E-Mails liest. So verrückt es klingt, so traurig ist leider die Realität.

Anderseits ist ja zu entgegnen, dass es eine Auskunftspflicht und einen Richtervorbehalt für diese Auskunft gibt. Das stimmt … im Prinzip … also fast. Leider sind Polizeibehörden in Deutschland dazu übergegangen, den Richtervorbehalt allzu häufig durch die Anmahnung einer „Gefahr im Verzug“ zu umgehen. Genauso kann die Benachrichtigung bei der Bestandsdatenauskunft verzögert oder sogar ganz verhindert werden, wenn die Polizeibehörden dies als „Gefahr“ bezeichnen. Kurzum, jeder der bis 5 zählen kann, kann sich denken, was passieren wird.

Ggf. wird der Leser noch einwenden, dass dies aufgrund des Aufwandes nur in absoluten Ausnahmefällen wirklich angewandt werden wird. Leider beinhaltet das Gesetz aber auch, dass die Abfragen zu automatisieren sind, also dass den Behörden durch die Telekommunikationsanbieter spezielle elektronische Schnittstellen zur Verfügung gestellt werden müssen. Polizeibehörden können also automatisiert Anfragen stellen. Wenn es jemals ein Gesetz gab, das zu Missbrauch durch Polizeibehörden eingeladen hat, dann ist es die Bestandsdatenauskunft.

== Wer stimmt denn solch einem Scheiß zu? ==

Das Gesetz hat den Bundestag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP durchlaufen. Nun muss es noch den Bundesrat passieren. Hier hat die Bundes-SPD schon angekündigt, dass es keinen Widerstand aus den SPD-regierten Ländern geben wird. Von der rückgratlosen FDP ist natürlich ebenso kein Widerwort zu erwarten. Wie sich die Grünen und die Linke verhalten werden, ist noch offen.

Die Zustimmung zu diesem Gesetz wirft dabei einen mehr als dunklen Schatten auf die Abgeordneten, die dazu ihre Hand gehoben haben. Meiner Meinung nach sind die Zustimmung zu diesem Gesetz und eine grundsätzliche Bejahung auch nur fundamentaler Bürgerrechte unvereinbar. Genauso interessant finde ich es, wie die Bundes-SPD in Person eines Peer Steinbrück ankündigt, dass auch die SPD-Fraktionen der Länder zustimmen werden. Der Bundesrat, als ggf. korrigierendes Element, wird hier nicht nur instrumentalisiert, sondern es wird versucht eine demokratische Kontrolle auszuhebeln. Ich kann für die SPD-Fraktionen nur hoffen, dass sie sich gegen diese Anmaßung wehren werden.

Somit betrachte ich dieses Gesetz als Offenbarungseid der deutschen Politik, nicht nur bezüglich des Veständnisses von Polizeiarbeit, sondern auch in Bezug auf die Achtung der grundlegenden politischen Ordnung dieses Landes.

Anderseits betrachte ich dieses Gesetz als logische Folge der Poltik der letzen Jahre bzw. Jahrzehnte. Die Vorratsdatenspeicherung ist dabei der Meilenstein, an dem sich auch dieses Gesetz ausrichtet. Denn wer wissen will, wo ich wann mit wem wie lange worüber kommuniziere – der will irgendwann auch wissen, was ich schreibe. Dieses Gesetz kommt also, bis vielleicht auf die Form, wenig überraschend. Und dabei hat es sich als unerheblich erwiesen, wer nun genau die Mehrheiten im Bundestag stellt.

== Hilft es denn wenigstens? ==

Nein. Leider sind die Möglichkeiten der modernen Technik (und modern meint hier seit 1991) nicht in der deutschen Politik angelangt. Ich verweise hier nur exemplarisch auf eine Technologie namens PGP. Dabei wird über ein spezielles kryptographisches Verfahren die Kommunikation zwischen exakt zwei Kommunikationspartnern verschlüsselt und ist nur noch für diese beiden zugänglich. Dagegen hilft weder die Vorratsdatenspeicherung, noch das Zugangserschwerungsgesetz und erst recht nicht die Bestandsdatenauskunft. Und im Gegensatz zu dem unsicheren und lächerlich einfach zu umgehenden De-MAIL ist die Kommunikation durch PGP von keiner Behörde, Firma oder Privatperson dieser Welt mehr zu entschlüsseln. Und leider muss ich hier noch eine traurige Wahrheit anmerken: Die wirklich schweren Kriminiellen hinken technologisch leider nicht 30 Jahre hinterher. Die Bestandsdatenauskunft ist damit für die Verfolgung von schwerer Kriminalität oder sogar Terrosismus vollkommen ungeeignet, ergo nutzlos!

== Was wäre denn die Alternative? ==

Leider gibt es für die Strafverfolgung keine Abkürzung. Schwerer Kriminalität kann nur mit klassischer Polizeiarbeit begegnet werden. Zusätzlich muss die Polizei geschult werden um mit den neuen Möglichkeiten richtig umzugehen. Vor allem müssen dafür die Polizeibehörden auch vernünftig ausgestattet werden, damit sie diese Möglichkeiten auch nutzen können.

== Was kann man gegen die Bestandsdatenauskunft tun? ==

Es gibt im Moment vor allem vier Sachen, die man gegen die Bestandsdatenauskunft tun kann:
1.) hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht die übelsten Auswüchse wieder kassiert (wie schon zuvor)
2.) dagegen demonstrieren, wie z.B. am 14.4. um 14 Uhr in Erfurt
3.) Piraten wählen
4.) Die wirklich private Kommunikation, z.B. bzgl. schwerer Krankheiten, verschlüsseln. Denn das geht weder die Polizei noch den Militärischen Abschirmdienst etwas an!

Ich danke für das Lesen des Postings und hoffe, dass wir uns alle am 14.4 in Erfurt sehen.

Viele Grüße

Wilm