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Gescheiterte Landtagsauflösung: Fraktionen haben Angst vor dem freien Mandat ihrer eigenen Parlamentarier

Gestern, am 19.7.2021 hätte eigentlich der Thüringer Landtag über seine Auflösung abstimmen können, um den Weg für Neuwahlen im September freizumachen. So sah es die Abmachung zwischen Linkspartei, CDU, SPD und Grünen vor – der sogenannte Stabilitätsmechanismus. Die Spitzen dieser Parteien hatten es den Thüringern im Laufe des letzten Jahres immer wieder vollmundig versprochen.

Einige Parlamentarier aber fühlten sich nicht an die Hinterzimmerabsprache ihrer Parteigranden gebunden und forderten öffentlich ihr vom Grundgesetz und der Thüringer Verfassung garantiertes Recht auf freie Mandatsausübung ein. Statt dies zu akzeptieren und sich einer offenen Abstimmung zu stellen, zogen die Parteien lieber den Antrag auf Auflösung des Landtags zurück.

Der Unmut vieler Thüringer über das ‚gebrochene Versprechen‘ ist nun groß. Doch dieses Versprechen hätte nie gegeben werden dürfen, denn die Abgeordneten wurden nicht ausreichend einbezogen. Die Motive der einzelnen Abgeordneten, gegen die Auflösung zu stimmen, mag man durchaus kritisch sehen. Manche mögen schlicht nicht riskieren wollen, bei der nächsten Wahl nicht gewählt zu werden. Doch niemand kann ihnen ihr verfassungsmäßiges Recht nehmen, auch entgegen ihrer Parteigranden zu stimmen. Dieses freie Mandat muss die Grundlage für die Politik einer Minderheitsregierung sein. Das kann aber nur funktionieren, wenn statt heimlichem Gekungel der Parteispitzen offen im Parlament diskutiert wird.

Wir Thüringer PIRATEN fordern alle demokratischen Landtagsparteien auf, zukünftig die parlamentarische Debatte wieder zur Grundlage ihres politischen Handelns zu machen. Nur so können Minderheitsregierungen den Ruch der Instabilität ablegen, den sie in Deutschland haben – im Gegensatz zu anderen Ländern. Das demokratisch gewählte Parlament wird so als Ort der politischen Willensbildung gestärkt, und das durch Hinterzimmerabsprachen (und ihr Scheitern) erschütterte Vertrauen in Politik, Parteien und die Demokratie wiederhergestellt.