Kandidatenblog

TTIP – hinter verschlossenen Thüringen

Am 3. Juni wurde von der Thüringer FDP Fraktion und der Deutschen Atlantischen Gesellschaft im Erfurter Landtag eine TTIP-Veranstaltung organisiert mit dem schönen Titel:

„Ein klares Signal der Entschlossenheit? – Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft auf dem Prüfstand“

In der etwas ermüdenden und kraftlosen Rede von Franka Hitzing, Vizepräsidentin des Thüringer Landtages und Stellvertretende Vorsitzende der FDP Landtagsfraktion, war vor allem die Rede von der Wahrung der Wertegemeinschaft im Einklang mit Wachstum, Wohlstand und Beschäftung als Gewinn durch ein Freihandelsabkommen. Schon an dieser Stelle war ich verwundert wie die Aufweitung eines Absatzmarktes und Aufweichung von Standards zu dem Erhalt der Wertegemeinschaft in Europa führen soll. Bis zum Ende der Rede wurde dieser Punkt zwar mehrfach wiederholt aber nicht deutlicher erklärt.

Desweiteren durften wir Herrn Jürgen Chrobog, Staatssekretär a.D. und Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in den Vereinigten Staaten von Amerika (1995-2001) begrüssen. Dieser begann seine Rede sehr kritisch indem er die Instranparenz bei den Verhandundlungen zu TTIP anmahnte. Später aber positionierte er sich eindeutig für den Abschluss eines solchen Abkommens und stiliserte Fragen und Ängste der europäischen Bevölkerung zu einer ideologischen Grundfrage. Zum Beispiel wurde in den Raum gestellt ob das sogenannte Chlorhühnchen wirklich gesundheitsschädlicher ist als ein mit Antibiotika behandeltes. Zum Ende seiner Rede machte Herr Chrobog klar, dass das Thema Datenschutz, genauer ein NoSpy Abkommen, seiner Meinung nach keinen Weg in das Abkommen finden wird.

In der darauf folgenden Podiumsdiskussion kamen noch John R. Rodgers, Botschaftsrat für Wirtschaft an der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland, Uwe Barth, MdL und Stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender und Vorsitzender der FDP Thüringen und Günther Richter, Landesgeschäftsführer für Öffentlichkeitsarbeit und Politik beim BVMW zu Wort. Moderiert wurde die Diskussion von Dietmar Grosser, Redakteur
der Thüringer Allgemeinen.

Im Folgenden möchte ich einige Themenschwerpunkte, die in der Runde angesprochen wurden unter Einbeziehung meines eigenes Standpunktes erläutern.

Nur Anti-Amerikanismus?
Immer wieder wurde in der Diskussion von mehreren Seiten (auch von der FDP) als Grund für die große Ablehnung des TTIP Abkommens der vermeintliche Anti-Amerikanismus angeführt.
Außerdem gäbe es große Globalisierungsängste und ein Klima der Angst welches durch den Europawahlkampf heraufgeschworen wurde. Aber ich unterstelle, dass die zurecht kritische Bevölkerung jedem anderen Staat gegenüber genauso ablehnend eingestellt wäre, der versuchen würde durch die Hintertür schwer und lange erkämpfte Standards im Umwelt-, Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz zu unterwandern. Wie Herr Barth in der Diskussion richtig anführte hat die NSA-Affäre und die Ignoranz der USA gegenüber unseren Anfragen diesbezüglich nicht zu einer Verbesserung der Situation geführt. Auch von einem Vertrauensverhältnis kann man aktuell wirklich nicht mehr sprechen.

TTIP vs. NoSpy
So wie es Herr Chrobog schon fast flapsig zum Thema Datenschutzabkommen und NSA erklärte – „Hier sind die Dinge wie sie sind!“ – ist es leider auch. Es besteht absolut kein Interesse daran, ein erfolgreiches NoSpy Abkommen als Bedingung für weitere TTIP Verhandungen zu installieren. Herr Rodgers befürwortete dazu auch die Themen getrennt und unabhängig zu verhandeln. Was er aber dabei ausspart ist der Fakt, dass die USA überhaupt kein Interesse haben, ein NoSpy-Abkommen mit Europa oder Deutschland zu entwickeln. Herr Chrobog ging dann noch ein Stück weiter und wetterte, dass der britische Geheimdienst (GCHQ) gar noch schlimmer sei, weil Großbritannein Bestandteil von Europa ist. Dass das aber zwei getrennte Themen sind und der Fingerzeig auf andere „Verbrecher“ uns in dieser Debatte kein Stück weiter bringt, dürfte jedem klar sein.

Investitionsschutz
Zum Thema Investitionsschutz als Teil des TTIP Abkommens haben sich fast alle Anwesenden ablehnend geäußert. Einzig Herr Rodgers hat klargemacht, dass die USA diesen Punkt als absolutes Muss in dem Freinhandelsabkommen haben möchte. In der späteren Diskussion wurde nochmal beleuchtet warum diese bereits global existierenden Schiedsgerichte eingerichtet wurden. Die USA zweifelt nämlich die Gerichtsbarkeiten von manchen Staaten (als Beispiel wurde Pakistan genannt) und möchte daher Streitigkeiten beim Investitionsschutz lieber vor einem selbstbestimmten, aus Unternehmeranwälten bestehenden, Gericht verhandeln lassen. Ob diese ausgegliederten und nicht fassbaren Schiedsgerichte wirklich am Ende fairer entscheiden, möchte ich dabei bezweifeln. Bei diesem Thema geriet die FDP, in Person von Herrn Barth einmal etwas ins Wanken, als er erwähnte, dass auch europäische Staaten wie zum Beispiel Rumänien „problematische“ Gerichte hätten und er deswegen auch für Europa solche ausserstaatlichen Gerichte für diskussionswürdig hält. Das finde ich schon eine sehr gewagte Aussage, zumal Europa eine eigene Gerichtsbarkeit, den europäischen Gerichtshof, besitzt. Schiedsgerichte, in denen möglicherweise ausländische Unternehmen in einem geheimen und nicht kontrollierbaren Prozess die Gesetzgebung eines souveränen Staates aushebeln, lehne ich grundweg ab!

Instransparenz
Immer wieder wurde die instransparente Erarbeitung des TTIP Abkommens von allen Anwesenden moniert und eine größere Offenheit gefordert. Gleichzeitig wurde aber auch eingeschränkt, dass die Verhandlungen natürlich weiterhin nichtöffentlich stattfinden müssten. Wegen der Verhandlungspositionen und daraus folgenden Diskussionen. Das letzendliche Ergebnis werde dann ja spätestens zur Abstimmung in den einzelnen Parlamenten veröffentlicht. Aber genau das ist ja das Problem: Erst wenn es zu spät ist noch Einfluss zu nehmen werden die Menschen vor vollendeten Tatsachen gestellt. Eine Teilhabe der europäischen Bevölkerung wird komplett ausgeschlossen. Und dann wundern sich die TTIP-Verhandler darüber, dass die Menschen in Europa misstrauisch sind?

Mega-Abkommen wirklich notwendig?
Zuletzt wurde eine wirklich gute Frage aus dem Publikum gestellt. Wenn es denn wirklich nur um die Vereinfachung von Zertifizierungen und Standardisierung geht, wie immer als Begründung für TTIP angeführt wird, warum einigt man sich dann nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner? Eine Zustimmung auch von Seiten der Bevölkerung wäre leichter (nicht nur wegen der besseren Verständlichkeit des Abkommens) und das Erreichen eines solchen Abkommens wäre auch in naher Zeit möglich.
Dies wird aber von beiden Verhandlungspartnern abgelehnt, man möchte ein Komplettpaket verabschieden und keine kleinen einzelnen Abkommen. Warum genau kam in der Diskussion nicht klar heraus. Meiner Meinung nach möchte man im TTIP einfach viele Kröten unterbringen und unter dem Deckmantel der Vereinfachung der Märkte durchwinken. Je umfassender das Abkommen, umso weniger Menschen verstehen wirklich noch was darin enthalten ist. Das ist die Taktik der Verhandlungsführer.

Fazit
Am Ende des Abends habe ich zwar nichts wirklich Neues zu TTIP erfahren (ich bezweifle auch stark, dass irgendeiner der eingeladenen Diskutanten welche hatte) aber ich wurde darin bestätigt, dass wir uns nicht davon abbringen lassen dürfen, dieses Monstrum namens TTIP zu hinterfragen und weiterhin öffentlich zu bekämpfen.