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Zensus – Fragen wir den Bürger?

Die Volkszählung 2011 ist in vollem Gange. Zwar werden offiziell erst ab 9. Mai 2011 die Befragungen der Bürger durchgeführt, aber bereits jetzt 2010 wurden aus verschiedenen staatlichen Registerdatenbanken (beispielsweise Meldebehörden und Bundesagentur für Arbeit) die hinterlegten Informationen abgefragt und zusammengeführt. Die stichprobenartige Befragung der Bürger liefert im Vergleich dazu nur noch einen Bruchteil der Daten.

Noch immer wissen viele Bürger kaum etwas über die Durchführungen, noch die Inhalte der Zählung.

Bereits der Name Volkszählung ist irreführend, denn es wird nicht nur die Zahl der Einwohner erfasst, sondern deutlich mehr:

Haushaltebefragung: (46 Fragen, nur Frage 8 darf verweigert werden)

  • 1 Vorname/-n, Nachname
  • 2 Straße, Hausnummer, PLZ, Ort
  • 3 Telefonnummer
  • 4 Geschlecht
  • 5 Geburtsdatum
  • 6 Staatsangehörigkeit/-en
  • 7 Religionsgesellschaft
  • 8 Religionen, Glaubensrichtungen, Weltanschauungen
  • 9 Familienstand
  • 10 Wohnen Sie in Ihrer Wohnung mit einem Partner/einer Partnerin in einer Lebensgemeinschaft zusammen, die weder Ehe noch eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft ist?
  • 11 Wie viele Personen leben insgesamt in Ihrer Wohnung?
  • 12 Bewohnen Sie eine weitere Wohnung in Deutschland?
  • 13 Hauptwohnsitz – Ist die hiesige Wohnung die vorwiegend benutzte Wohnung?
  • 14 Sind Sie nach 1955 in das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen?
  • 15 In welchem Jahr war das?
  • 16 Aus welchem Staat sind Sie zugezogen?
  • 17 Ist Ihre Mutter nach 1955 in das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen?
  • 18 In welchem Jahr war das?
  • 19 Aus welchem Staat ist Ihre Mutter zugezogen?
  • 20 Ist Ihr Vater nach 1955 in das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen?
  • 21 In welchem Jahr war das?
  • 22 Aus welchem Staat ist Ihr Vater zugezogen?
  • 23 Waren Sie in der Woche vom 9. bis 15. Mai 2011 Schüler/-in einer allgemeinbildenden Schule?
  • 24 Um welche Schule handelte es sich dabei?
  • 25 Welche Klasse besuchten Sie?
  • 26 Haben Sie einen allgemeinbildenden Schulabschluss?
  • 27 Welchen höchsten allgemeinbildenden Schulabschluss haben Sie?
  • 28 Haben Sie einen beruflichen Ausbildungs- oder (Fach-) Hochschulabschluss?
  • 29 Welchen höchsten beruflichen Ausbildungs- oder (Fach-) Hochschulabschluss haben Sie?
  • 30 Was trifft überwiegend auf Sie zu? (Frage zu Berufstätigkeit, Nebenjobs und bezahlten Tätigkeiten)
  • 31 Haben Sie eine bezahlte Tätigkeit bzw. einen Nebenjob von mindestens einer Stunde pro Woche?
  • 32 Sind Sie unbezahlt in einem Betrieb tätig, der von einem Familienmitglied geführt wird?
  • 33 Haben Sie auch in der Woche vom 9. bis 15. Mai mindestens eine Stunde eine bezahlte Tätigkeit ausgeübt?
  • 34 Warum haben Sie diese Tätigkeit in der Woche vom 9. bis 15. Mai nicht ausgeübt?
  • 35 Wie lange dauert die Unterbrechung Ihrer Tätigkeit insgesamt?
  • 36 Erhalten Sie als Arbeitnehmer/-in eine Fortzahlung (Lohn, Gehalt oder staatliche Leistungen) von mindestens der Hälfte Ihres bisherigen Einkommens?
  • 37 Als was sind Sie tätig?
  • 38 An welchem Arbeitsort sind Sie überwiegend tätig?
  • 39 Bitte geben Sie Postleitzahl und Ort Ihres überwiegenden Arbeitsortes an.
  • 40 Haben Sie in den letzten vier Wochen etwas unternommen, um Arbeit zu finden?
  • 41 Könnten Sie innerhalb der nächsten zwei Wochen eine bezahlte Tätigkeit aufnehmen?
  • 42 Haben Sie früher schon einmal gegen Bezahlung gearbeitet?
  • 43 Als was waren Sie zuletzt tätig?
  • 44 Bitte ordnen Sie den Betrieb, in dem Sie tätig sind, einer Branche/einem Wirtschaftszweig zu.
  • 45 Bitte geben Sie an, welchen Beruf/welche bezahlte Tätigkeit Sie ausüben.
  • 46 Um die Einordnung Ihrer Tätigkeit zu erleichtern, geben Sie bitte zusätzliche Erläuterungen in Stichworten an. Falls Sie überwiegend Führungsaufgaben wahrnehmen, vermerken Sie dies bitte auch.

 

Oft wird Kritikern durch die Politik geantwortet, dass die Befragung nur 10% der Bevölkerung betrifft, dass diese nur stichprobenartig erfolgt und man dies alles aufgrund einer EU- Richtlinie (763/2008) durchführen müsste.

Das ist wie so oft nicht einmal die halbe Wahrheit. So werden zwar nur 10% der Einwohner befragt, aber 100% aller Immoblienbesitzer. Gerade in den ländlichen Regionen wohnen viele Bürger in Eigenheimen und dort werden dann hohe Befragungsraten Realität. Der Abgleich der Register im Vorfeld erfolgt ohnehin über alle Deutschen – es gibt keine Chance, dem Zensus 2011 in Deutschland zu entkommen.

Doch auch inhaltlich sind die Fragen deutlich über dem Nivau der Forderungen der EU. So sind die detaillierten Fragen über die Eltern und deren Herkunft oder den Schulbesuch im Mai 2011 nur in der deutschen Umsetzung zu finden.

Gerade die Erfahrungen in der Zeit vor 1990 sollten lehrreiche Beispiele sein, dass man mit den Bürgern und ihren Daten nicht nur sparsam bei der Speicherung, sondern insbesondere bei der Erhebung vorzugehen hat.

Dazu Bernd Schreiner, Politscher Geschäftsführer der PIRATEN Thüringen: „Jeder Bürger hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Datenschutz-Grundrecht.

Selbstverständlich benötigt man für staatliche Vorhaben eine Datengrundlage für vielfältige öffentliche Vorhaben, die auch zum Teil von den Bürgern selbst abgefragt werden müssen.

Jedoch sind dies Daten dann auch sensible persönliche Daten, die besonders zu schützen sind. Diese persönlichen Angaben benötigt kein Planer. Die erfassten Daten sind somit sofort unumkehrbar zu anonymisieren, so dass die reinen Daten keinesfalls mehr mit der Person selbst in Verbindung zu bringen sind. Persönliche Daten und Kennzeichen dieser dürfen keinesfalls zentral gespeichert werden und sollten überhaupt nicht in einer elektronischen Form gespeichert werden. Alle notwendigen Daten sind ja bereits in den Meldeämtern hinterlegt. Auch müssen die Erfassungsunterlagen umgehend vernichtet werden.“

Auch der deutsche Beauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, sieht beim Zensus2011 massive Kritikpunkte [1]. In seinem Tätigkeitsbericht spricht er unter anderem die Übermittlungssperre an. Auch die Daten von Personen, die eine Übermittlungssperre eingerichtet haben, werden beim Zensus erfasst. Ironischerweise wird auch erfasst, ob eine Person so eine Sperre hinterlegt hat. Schaar schreibt dazu: „… Besonders schützenswert sind auch diejenigen Personen, für die im Melderegister eine Übermittlungssperre wegen Gefahr für Leib oder Leben eingetragen ist. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Personen im Zeugenschutzprogramm. Um dem besonderen Schutzbedarf dieser Personen Rechnung zu tragen, habe ich empfohlen, diejenigen Anschriften, an denen eine Person mit einem solchen Sperrvermerk lebt, insgesamt aus der Haushaltestichprobe auszunehmen. …“. Leider wurden auch diese Anregungen des Beauftragen für den Datenschutz nicht umgesetzt

Darüber hinaus muss auch der mögliche Missbrauch oder die zweckentfremde Nutzung der Daten verhindert werden. Gerade bei den wenig transparenten Datenverarbeitungsrichtlinien und der genutzten IT-Infrastruktur bei dem Zensus 2011 ist nicht nur eine missbräuchliche Verwendung möglich, sondern auch eine potentielle Gefährdung durch Angriffe von außen gegeben. Gerade die vergangenen Monate haben gezeigt, dass kein elektronisches System unangreifbar ist. Die enormen Datenmengen und deren zentrale Erfassung stellen ein potentielles und lukratives Angriffsziel dar.

[1] http://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publikationen/Taetigkeitsberichte/TB_…