Kandidatenblog Staat und Demokratie

Nie wieder wegsehen!

Mein Besuch der Sondersitzung des Thüringer Landtags zu den Ergebnissen des NSU-Untersuchungsausschusses begann mit einer Kommunikationspanne. So habe ich leider erst bei meiner Ankunft im Landtag erfahren, dass ich keinen Platz auf der Besuchertribüne erhalte, sondern lediglich in einem Übertragungsraum der Sitzung beiwohnen darf.
Deshalb verließ ich die Veranstaltung zeitiger als geplant und verfolgte die Sitzung dann zum größten Teil vom heimischen Bildschirm aus. Nachfolgend meine Gedanken zusammenfassend zu dem Sonderplenum:

Es wurde viel zu den Versäumnissen der Behörden gesagt. Von Verfehlungen bei den Ermittlungen zum NSU war die Rede. Ignoranz. Arroganz. Selbstüberschätzung. Fehlende Kommunikation. All das ist meiner Meinung nach nur noch schwer mit Zufall oder Versehen zu erklären. Selbst die CDU sieht ein weitreichendes mangelndes Einsehen bei den gemachten Fehlern. „Man hat versagt in vielen Bereichen…“ Das ist falsch, denn wir haben versagt. Machen wir es uns da nicht zu einfach, indem wir von außen das Geschehene betrachten, so tun als wäre das alles nicht vor unserer Haustür passiert? Genauso reden wir bei den Tätern immer über das NSU-Terrortrio und ihre Helfer, aber was ist mit denen, die in den zuständigen Behörden weggesehen haben? Dass Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vor der Tür der Behörden niemals enden dürfen, stellen wir jetzt dazu fest. Die relativierende Bemerkung des Abgeordneten Kellner von der CDU, „Wir haben in Thüringen eine 60% Aufklärungsquote, von 100% kann man nicht ausgehen, so traurig das auch ist“, empfand ich mehr als unpassend. Denn im Abschlussbericht wurde nicht nur einmal darauf hingewiesen, dass bei richtigem Handeln der Behörden das Trio hätte frühzeitig festgesetzt werden können. Es mangelte eben nicht an den nötigen Hinweisen.

„Nie wieder wegsehen!“ sagt Dirk Adams und trotzdem erstarken die rechten Kräfte in Thüringen, so konnte die NPD bei den vorangegangenen Kommunalwahlen in Thüringen die Anzahl ihrer Mandate mehr als verdoppeln.
Richtig ist, dass die Demokratieförderung gegen Rechtsextremismus helfen kann und die Zivilgesellschaft dabei eine tragende Rolle spielen muss.
Dass die NPD noch nie im Thüringer Landtag war, ist eben jener wehrhaften Zivilgesellschaft zu verdanken und nicht den Abgeordneten, die sich in der Sondersitzung diesen Zustand als eigenen Verdienst zuschreiben wollten. So bedankt sich Katharina König meiner Meinung nach richtigerweise bei den Antifaschistinnen und Antifaschisten, sowie den Bürgern, die immer wieder gegen rechtsextremes, rassistisches und nationalistisches Gedankengut auf die Straße gehen.
Denn es existiert in Thüringen eine Kultur der „rechtsextremistischen Einstellungen bis weit in die Mitte der Gesellschaft“ hinein, was sogar Heike Taubert einsehen musste.

Die Ministerpräsidentin Lieberknecht forderte in der Debatte abermals eine vollständige und transparente Aufklärung. Wie passt diese Forderung zu der Anonymisierung von Personen, die in öffentlicher Sitzung ausgesagt haben? Diese Anonymisierung sorgt für Unlesbarkeit und erschwerte Nachvollziehbarkeit des Abschlussberichts.
Auch ist fraglich, wie mit den noch offenen Fragen des Untersuchungsausschusses umgegangen werden soll. So fordert Birgit Pelke (SPD): „Wir müssen weiter nach der Wahrheit suchen“. Die CDU ist sich anscheinend nicht einig, ob es nach der Landtagswahl mit einem neuen Untersuchungsausschuss oder einer Enquete-Kommission weitergehen soll.
Während die SPD lediglich eine personelle und inhaltliche Neuausrichtung des Verfassungsschutzes fordert, möchte die LINKE – genauso wie die PIRATEN – den Verfassungsschutz und damit auch das V-Mann-System abschaffen. Diese müsste die CDU eigentlich folgerichtig auch umsetzen, denn selbst Lieberknecht stellt fest, dass „der Verfassungsschutz rechtsextremistische Strukuren eher begünstigt als sie verhindert hat“.

Was mir am Ende der Debatte eigentlich fehlt, ist der Glaube daran, dass so etwas nicht wieder passieren kann. Meiner Meinung nach muss grundsätzlich daran gearbeitet werden, die Ursache für die rassistische Einstellung so vieler Thüringer (bei einer so geringen Ausländerquote) festzustellen und mit mehr Bildung, Aufkärung und entschlossenem Einschreiten entgegenzuwirken.